Der Fluch der Seherin by Gabriele Breuer

Der Fluch der Seherin by Gabriele Breuer

Autor:Gabriele Breuer [Breuer, Gabriele]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
veröffentlicht: 2015-08-21T16:00:00+00:00


10

Schottland,

im Winter des Jahres 1324

Adam hielt die Nase in den Wind. »Ich kann das Meer riechen. In dieser Richtung ist es.« Mit dem Zeigefinger deutete er nach Osten.

Trotz ihrer Müdigkeit spürte Iseabail ihr Herz schneller schlagen. Seit mehr als vierzig Tagen reisten sie nun durch das Land, schliefen oft in Höhlen oder aber unter freiem Himmel. Die meisten Tiere hielten Winterschlaf, so dass Adam höchstens einen Hasen hatte fangen können. Fast hatte Iseabail schon die Hoffnung aufgegeben, jemals das Meer zu erreichen.

Mit Adam ritt sie auf eine Anhöhe. Ein unbeschreiblicher Anblick bot sich ihnen. Hinter der weißen Schneedecke öffnete sich das dunkelblaue Meer. Diese Weite, die Iseabail noch nie in ihrem Leben gesehen hatte, ergriff sie. »Bald wird Sean wieder bei mir sein.« Tränen der Hoffnung liefen über ihre geröteten Wangen. »Hoffentlich lebt Fionghal noch.«

Adam sog tief den Atem ein. »Komm Isea, bis Fraserburg sind es noch zwei Tagesritte. Dort werden wir uns nach der Heilerin erkundigen.«

Vor den Stadttoren von Fraserburgh überfiel Iseabail wieder die Furcht, ihre lange Reise könnte umsonst gewesen sein. Sie nahm das Herz aus ihrer Tasche, um es zu betrachten. Es glühte weiterhin. Iseabail küsste es und schöpfte neuen Mut. Sie stiegen von den Pferden ab und fragten in der Stadt jeden Menschen, dem sie begegneten, nach der Heilerin Fionghal. Doch niemand schien sich an sie zu erinnern. Ratlos sah Adam sich auf dem Marktplatz um.

»Das gibt es doch nicht. Irgendjemand muss sie doch kennen.«

Iseabail legte die Stirn in Falten. »Vielleicht ist sie sehr alt und kann nicht mehr als Heilerin arbeiten. Dann kennen sie die jungen Leute nicht mehr. Siehst du die Frau dort drüben?« Iseabail zeigte mit dem Finger auf eine Greisin, die am Wegesrand hockte und Äpfel aus einem Weidenkorb verkaufte. Ohne zu zögern ging Iseabail auf sie zu. Sie nahm eine ihrer letzten Münzen aus dem Beutel und gab ihn ihr.

Die Greisin grinste sie mit ihrem zahnlosen Mund an. »Hier Kind, nimm diesen, das ist der Schönste, den ich besitze.« Sie hielt Iseabail einen rotbackigen Apfel hin, der an einer Seite schon leicht schrumpelte. Dankend nahm Iseabail ihn entgegen, setzte sich neben die Greisin und biss herzhaft in den Apfel. Auf ihrer Zunge verbreitete sich der süßsäuerliche Geschmack. »Wir suchen nach der Heilerin mit dem Namen Fionghal.«

Die Greisin sah sie mit ihren grauverschleierten Augen an und griff nach Iseabails Hand. »Fionghal war eine sehr gute Heilerin. Doch nun ist sie eine alte Frau, genau wie ich.«

»Wisst Ihr, wo sie wohnt?« Iseabail fiel ein Stein vom Herzen.

Die alte Frau nickte. »Ich werde Euch dorthin führen. Es ist zwar nicht weit von hier, aber ihre Hütte liegt versteckt in einem dichten Kiefernwald. Deshalb werdet ihr den Weg alleine nicht finden.«

Adam und Iseabail folgten den schlurfenden Schritten der Greisin durch den Wald. Als sie an einer Lichtung ankamen, zeigte sie mit ihrem knochigen Zeigefinger in die Richtung, in der die Hütte lag. Wortlos wickelte sie den Umhang um ihr Gesicht, so dass nur noch die Augen herauslugten. Iseabail wollte sich noch bedanken, doch die alte Frau war schon im Dickicht verschwunden.



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